Künstliche Intelligenz (vs. Suchdienste)

Erstellt mittels KI mit Microsoft Copilot

Wenn mich jemand fragt, was ich regelmäßig mit dem (kostenlosen) Copilot mache, ist das Hauptbeispiel immer "Ich gebe Suchanfragen ein, von denen ich im Voraus schon weiß, dass Google mir nur Blödsinn liefern wird".

Diese Aussage führt meistens zu einem leicht fragenden Blick bei meinem Gesprächspartner. Die Erklärung ist aber recht simpel; wir kennen die Situation eigentlich alle: Bevor wir in Google lostippen, ist uns klar: Das wird nichts.

Ich hatte jüngst ein interessantes Beispiel: Ich habe mir ein Ministativ für mein Handy gekauft - ein irrwitziger Zoom ist toll, ruhig halten kann das aber kein Mensch mehr. Das Stativ hat als Gimmick einen Bluetooth-Fernauslöser dabei. Nach dem Koppeln mit dem Handy macht es aber leider nicht wie erwartet ein Foto beim Drücken des Knopfes, sondern zoomt ins Bild hinein.

Google Frage: "Fernauslöser Handy Android zoom statt Bild"
Das Ergebnis kann gerne ausprobiert werden... (es ist erwartungsgemäß nutzlos)

Copilot habe ich gefragt: "Woran kann es liegen, dass eine Bluetooth-Kamerafernbedienung bei Android einen Zoom auslöst, statt ein Foto zu machen?"
Hier war das Ergebnis klar strukturiert die richtige Lösung. (Die Android-Kamera nutzt die Lautstärketasten optional als Zoomregler statt ein Bild zu machen, Option ausschalten und es geht)

Kontext?

Warum ist hier der Unterschied so groß und warum ging vor einiger Zeit Googles Versuch, die KI in die Suchergebnisse einzubauen, so phänomenal schief?

Der wichtige Unterschied ist "Kontext". Die Google-Suche geht stumpfsinnig auf die einzelnen Stichwörter los und sucht z.B. nach "Handy" und nach "Android". Damit gibt es (logischerweise) Milliarden von Ergebnissen - von denen nahezu alle absolut überhaupt nichts mit unserem Thema zu tun haben. Wenn es dumm läuft, bekomme ich hier sogar Treffer zum iPhone geliefert, weil im Artikel irgendwo steht "Anders als bei Android..."

Die KI geht hier schlauer vor - sie sucht im Kontext "Android Handy" nach Bluetooth-Fernbedienungen - und ist dort auch bei Weitem nicht so zickig mit der Begrifflichkeit wie die klassische Suche.  

Warum nicht nur noch mit der KI suchen?

Weil es auch den umgekehrten Fall gibt: wenn ich auf Google nach "Samsung S25 kaufen" suche, liefert er mir bedingt strukturierte, brauchbare Ergebnisse. Natürlich erreiche ich bei Copilot Ähnliches: BestBuy(?!), Samsung Deutschland und MediaMarkt sind dabei - dem Copiloten die günstigsten Angebote zu entlocken oder einen breiteren Scope zu erhalten wird schon aufwendiger.

Was leistet KI und was nicht?

Für mich gerade eines der State-of-the-Art Features:

Vor einiger Zeit hat Microsoft für die Android Version von Copilot (kostenlose Version) den freien Sprachmodus aktiviert: Mikrofon-Taste drücken, losquatschen. Das Beeindruckende daran: die App führt ein lockeres Gespräch mit dem User. Die Antworten kommen wie aus der Pistole geschossen in Sekundenbruchteilen, die Sprachausgabe gehört zu den Besten, die ich bisher gehört habe - Betonung, Stimmung, volles Programm. Man könnte tatsächlich immer wieder meinen, man spricht mit einem Menschen. Wer einen Aufhänger für einen Test braucht: “Kann man einer Katze in geringen Mengen gekochte Kartoffeln füttern?”

Leider gibt es zu viel und es ist zu unübersichtlich. Mein Standardspruch zur aktuellen Microsoft-Produktpolitik ist bekanntlich: "Morgen wird Copilot für Maustreiber vorgestellt, das neue Outlook kann aber nach fast 2 Jahren immer noch kein Drag & Drop von Anhängen zu SharePoint".

Copilot (kostenlos, für Privatuser), Copilot Business (kostenlos, für Geschäftskunden), Copilot M365 (für Geschäftskunden), Copilot (kostenpflichtig für Privatuser), Copilot für Word, Excel, Outlook, PowerPoint, OneNote, Teams usw, Copilot für Sales, Security und diverse mehr, Copilot Agents, Copilot Agents für SharePoint, Dynamics Copilot, Copilot Vision und vermutlich 20-50 weitere. Ich gehe stark davon aus, dass Microsoft selbst nicht weiß, wie viele Copiloten es gibt.

Diese ganzen Produkte leisten teilweise erstaunliches - wer allerdings im Copiloten für Word nach der letzten Mail von Herrn Mustermann fragt, wird von den Ergebnissen nicht beeindruckt sein. 

Warum ist das so?

Im Beispiel Google vs. Copilot wird es deutlich: eine KI hat eine Wissensbasis, mit der sie arbeitet. Je präziser und schärfer abgegrenzt diese Wissensbasis ist, desto beeindruckender sind die Ergebnisse. Das erklärt sehr einfach den Sinn von Copilot Agents für SharePoint: sie nutzen als Wissensbasis per Standard eine einzige Teamsite - z.B. die eines Kundenprojekts. Stellt man einem solchen Agenten z.B. die Frage "Gibt es hier bereits einen Projektabschluss?" ist die Wahrscheinlichkeit einer brauchbaren Antwort viel größer, als wenn man die gleiche Frage dem Copiloten für M365 stellt und ihn (selbst bei Angabe des Kundennamens) vor die Herausforderung stellt, korrekt zu erkennen, in welcher Teamsite die richtigen Daten liegen.

Agents und die Copilot Versionen für Apps und Dienste sind also die "Spezialisten" - sie haben meist ein klar geschärftes Profil und klare Funktionen (oft auch vordefinierte Tasks, die sie auf Zuruf ausführen können). Der Copilot für M365 ist der Generalist und kann "alles"; er inkludiert auf Wunsch auch das Web - damit verwässert aber alles deutlich stärker.

Spaßiger Test:
Im Copilot für M365 den Arbeitsmodus aktivieren (also Wissensbasis nur der eigene Tenant) und die Inklusion von Webinhalten abschalten. Danach fragen "Wie viele Einwohner hat New York?". Man bekommt die Antwort "…8,4 Millionen Einwohner…"

Schaltet man danach die Webinklusion wieder an und stellt die gleiche Frage, lautet das Ergebnis "…8,8 Millionen Einwohner. Auf Rückfrage verrät mir Copilot, dass seine interne Wissensbasis (mit der er die erste Frage beantwortet hat) aus Oktober 2023 stammt.

Das Experiment "Webinklusion aus und Allgemeinwissen abfragen" ist spannend. Copilot hält sich zwar oft bedeckt mit Feindetails, liefert aber trotzdem spannende Einblicke in seine Interna:

"Ich habe Informationen über die Einwohnerzahlen vieler Städte weltweit, insbesondere großer und bekannter Städte. Diese Informationen stammen aus verschiedenen Quellen und sind bis Oktober 2023 aktuell."

"Ich habe Informationen über viele Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben, darunter Politiker, Künstler, Wissenschaftler, Sportler und andere bekannte Persönlichkeiten. Die genaue Anzahl kann ich nicht angeben, da mein Wissen auf einer Vielzahl von Quellen basiert und ständig aktualisiert wird."

"Ich kann Ihnen bei einer Vielzahl von betriebswirtschaftlichen Grundlagen helfen. Hier sind einige der wichtigsten Bereiche, in denen ich Unterstützung bieten kann: <Auflistung von 7 Kerngebieten mit 21 Punkten>"

"Ich kann Ihnen bei einer Vielzahl von finanzwirtschaftlichen Grundlagen helfen. Hier sind einige der wichtigsten Bereiche, in denen ich Unterstützung bieten kann:  <Auflistung von 7 Kerngebieten mit 21 Punkten>"

"Ja, ich kann Ihnen bei Fragen zum Personalrecht helfen. Personalrecht umfasst eine Vielzahl von Themen, die sich auf die Beziehung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern beziehen." 

Fazit

Copilot ist eine äußerst spannende Nummer. Er integriert sich tief in die M365 Dienste und ist damit leichter, auch gerade datenschutztechnisch, abzugrenzen. Andere KI-Dienste können vieles auch, manches sogar besser, das eindeutige Commitment zum Unternehmensdatenschutz und die Grenzen sind aber oft unklar und werden nicht geprüft. Es ist aktuell noch äußerst schwierig, zum Beispiel zu erlauben, dass User Firmendaten mit der bezahlten Version von ChatGPT nutzen (Zugriff auf OneDrive) und gleichzeitig zu verbieten, dass sie dies mit der privaten Version tun.

Leider macht Microsoft (mal wieder) den großen Fehler, Dienste chaotisch miteinander zu vermischen, setzt keine klaren Grenzen und sorgt so für maximale Verwirrung. Der Redmonder Riese wird wieder mal einer seiner Kernkompetenzen - sinnfreie und verwirrende Produktbenennung - vollumfänglich gerecht.

Wer versucht zu verstehen, wo die Unterschiede zwischen Copilot M365 und Teams Premium oder Copilot Studio und Copilot Agents für SharePoint und bei letzteren bei Pay-as-you-go liegen, kann sich auf ein umfangreiches Studium von sehr vielen recht nutzlosen Microsoft-Webseiten einrichten. Die Wahrscheinlichkeit, dass man es am Ende verstanden hat, ist bedauerlicherweise gering.

Getreu dem Untertitel „Meinung|ungefiltert“ verzichte ich auf Befindlichkeiten aufgrund Herstellerbindungen, dem üblichen Geschäftsgebaren und sonstiger Konventionen.
Damit einher geht, dass dieser Blog meine persönliche Meinung widerspiegelt und nur diese - Euer Marc Winter.

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